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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Pre-Show. Identities on Display / Positionen

Das Museum empfängt seine Gäste

Das Foyer als erweiterter Ausstellungsraum, persönliche Habseligkeiten als Museumsexponate und was es bedeutet, das Publikum mit sich selbst zu konfrontieren: Die Architektin Barbara Holzer, die Künstlerin Karin Sander und die Kuratorin Monika Zessnik im Gespräch über „Pre-Show. Identities on Display“.
Interview: Barbara Schindler

Mit dem Büro Holzer Kobler Architekturen waren Sie angefragt worden, einen Beitrag für das Humboldt Lab zu entwickeln. War anfangs schon klar, worauf der inhaltliche Fokus liegen wird?

Barbara Holzer: Die Grundidee entstand im Juni 2012, als wir von Martin Heller zum Workshop „Fragen stellen“ eingeladen wurden. Dabei interessierte mich speziell das Thema der „Einstiege“ in Museen: Wie kann man bei den Besuchern einen Switch von der Alltagswelt in andere Kulturen und Zeiten schaffen, und welche Bedeutung haben ethnologische Sammlungen heute? Als Folge dieser Diskussion interessierte es mich, einen solchen „Einstieg“ bzw. eine „Pre-Show“ zu diesem Thema zu entwickeln.

Im weiteren Verlauf kam es zur Zusammenarbeit mit Karin Sander – was hat sie dazu veranlasst?

Holzer: Wir arbeiten gerne in Kooperationen, weil wir so Dinge immer wieder neu spiegeln können. Karin Sander und ich sind uns immer wieder begegnet und ich dachte mir, dass dies eine spannende gemeinsame Aufgabe sein könnte. Als ich Karin Sander kontaktierte, war sie von der Idee der Zusammenarbeit sehr angetan. So haben wir uns gemeinsam an das Projekt gemacht.

Können Sie den Moment rekonstruieren, als die Idee konkret wurde, eine Arbeit im Foyer zu realisieren und die Konvention der Garderobe aufzugreifen?

Karin Sander: Nachdem wir uns die Dahlemer Sammlungen angeschaut hatten, trafen wir uns im Foyer. Uns war sofort klar, dass das der Ort ist, der uns beide am meisten interessiert. Wir haben dort viel Zeit verbracht, haben geschaut und beobachtet. Vom künstlerischen Ansatz her wollte ich die Handlungen, die im Eingangsbereich stattfinden, mit in das Thema der Arbeit aufnehmen. Zwei Besucherinnen waren hierbei für mich der Auslöser: Die eine hatte rosa Gummistiefel und einen braunen Pullover an, die andere trug braune Gummistiefel und einen rosa Pullover und so ausgesucht waren auch die Gegenstände, die sie an der Garderobe ablegen mussten. Den einzelnen Accessoires begegnen wir im abgesicherten Ausstellungsbereich des Museums wieder. Dort stammen sie zwar aus anderen Zeiten und Kulturen, aber sie verweisen auf Personen, die nicht mehr anwesend sind, uns aber im Zusammenhang mit der Sammlung vergegenwärtigt werden. Dieser gegenwartsbezogene Kontext hat mich interessiert. Die Idee, den historischen Exponaten aus aller Welt heutige gegenüberzustellen, lag aber nicht sofort auf der Hand, sondern kam allein durch die Beobachtung und im Dialog anlässlich dieser komplexen Situation zustande.

Entstanden sind im Foyer aufgestellte Vitrinen, die Gäste für ihre Garderobe nutzen konnten. Was war Ihnen dabei wichtiger: der spielerische Umgang mit der Vitrine oder die Vorwegnahme der Schaukästen und Präsentationen, wie sie später im Museum zu sehen sind?

Sander: Die Vitrinen funktionieren zunächst einmal wie gewöhnliche Schließfächer, nur sind sie eben aus Glas und machen so automatisch alles in ihnen Abgelegte zum Exponat. Die Arbeit hat den Titel „Identities on Display“ und das Publikum reagierte auf diese Kreuzung aus nutzerorientierter Möblierung und installativer Ästhetik, indem es seine persönliche Garderobe in den Vitrinen museal inszenierte. Indirekt sind so Porträts von Personen und ständig wechselnde „Ausstellungen“ entstanden, die gleichzeitig mit ihren Exponaten auf das Wetter oder die Jahreszeit verwiesen, aber auch gesellschaftliche, historische und kulturelle Bezüge herstellten.

Holzer: Das Spannende war, dass wir die Vitrine, die in aller Regel drinnen im Museum ist, herausgeholt und dem Besucher gegeben haben, damit er seine eigenen Habseligkeiten ausstellen kann. Wir haben damit versucht, dem Publikum zu zeigen, dass es selbst mit dem eigenen Leben im Heute Teil eines großen geschichtlichen Bogens ist. Vielleicht stellt sich der Besucher die Fragen: Was bleibt von heute übrig und wie wird man morgen unsere eigene Kultur kommunizieren? Kann man das Individuum in den Vitrinen noch erkennen? Welche Dinge geben uns heute noch Auskunft über die verschiedenen Kulturen? Das auszustellen und einen Prozess des Denkens anzuregen, trieb uns an.

Was hat Sie unter dem Aspekt der Vermittlung an der Ausstellung interessiert?

Monika Zessnik: Bei Besucherumfragen frage ich nach Alter, Geschlecht, eventuell noch nach dem Bildungshintergrund – bei Interessen wird es schon schwieriger. Je länger „Pre-Show“ lief, desto mehr Potenzial habe ich in diesem Projekt erkannt, weil es so viel über das Publikum selbst erzählt hat. Denn die Leute haben nicht nur gezeigt, was sie haben und tragen, sie haben sich auch inszeniert: In einer Vitrine lag zum Beispiel nur ein Hut oder eine Spielzeugpistole – also ich hoffe, es war keine echte! Das Projekt hatte einen starken Partizipationscharakter mit unklarem Ausgang – das hat mir gefallen.

Kann man sagen, dass ein solcher, partizipatorischer Ansatz charakteristisch für Ihre Arbeiten ist?

Sander: Ja, meine Arbeiten geben etwas vor, so eine Art Spielregel, worauf der Betrachter aufbauen kann. Zunächst hatten wir Schwierigkeiten zu kommunizieren, wie und dass die Arbeit funktioniert. Es gab große Zweifel beim Humboldt Lab – uns war aber ganz klar, dass die Besucher sehr schnell verstehen würden, wie sie die Arbeit anwenden und Teil davon werden konnten. Grundsätzlich ist mir an solchen Arbeiten sehr wichtig, dass sie ohne textliche Vorgaben verstanden werden können.

Holzer: Sich von der klassischen Didaktik verabschieden – genau das interessiert mich auch. Wenn der Einstieg in ein Thema nicht über eine Texttafel passiert, sondern auf eine andere Art erfolgt – über einen direkten experimentellen Ansatz – und dabei mit starken Bildern gearbeitet wird, fasziniert mich das.

Im Unterschied zu anderen Humboldt Lab-Projekten haben Sie bei „Pre-Show“ keine historischen Objekte zum Ausgangspunkt Ihrer Arbeit gemacht. Warum?

Holzer: Wir wollten mit „Pre-Show“ nicht direkt auf die Sammlungen verweisen, sondern einen dialogischen Raum im Foyer öffnen. Eigentlich geht es in unserer Arbeit um die Auseinandersetzung des Besuchers mit sich selbst. Wir wollten ihn auf subtile Art auf die Fragestellung „Wie werden Kulturen im Museum ausgestellt?“ vorbereiten und für die Sammlungspräsentation im Museum selber sensibilisieren.

Sander: Wir haben uns in den Dahlemer Museen Alltagsobjekte ganz unterschiedlicher Herkunft angesehen – den Schmuck, die Kleidungsstücke. Uns dann aber gefragt: Was ist das Hier und Jetzt? Wir haben versucht, den Sprung von dort aus zu schaffen, wo der Besucher im Museum ankommt, hin zu dem, was im Museum schließlich gezeigt wird. Es gibt also durchaus Bezüge zu den Sammlungen, aber nicht konkret zu dem einen oder anderen Gegenstand.

Zessnik: Die Arbeit zielt aber konkret auf die Frage ab, die sich kulturhistorische Museen stellen, nämlich wie präsentiere ich menschliche Kultur ohne Menschen? Und deswegen fand ich das einen sehr intelligenten Vorspann bzw. Pre-Show.

Apropos: wie genau kam es zu dem Titel dieses Humboldt Lab-Projekts?

Holzer: Er entwickelte sich aus der Thematik des zweitägigen Workshops im Juni 2012. Eine Ausstellung braucht eine Art „Bremsspur“, einen Ort der Entschleunigung für die Besucher, um zwischen dem Alltag und dem Museumsbesuch einen Raum der Sensibilisierung zu öffnen. In der Museologie verwendet man dafür häufig das Wort „Prolog“. Wir haben ihn „Pre-Show“ genannt, weil das offener und nicht so museal oder literarisch konnotiert ist. Die versetzt positionierten Vitrinen wurden zu Hindernissen, die ein Abbremsen, ein Verlangsamen der Besucher erforderten. Das war uns wichtig.

Ist „Pre-Show. Identities on Display“ eine Installation, die auch in anderen, also nicht nur im ethnologischen Museum funktioniert?

Sander: Das denke ich schon. Jeder Ort hat etwas Besonderes und der bestimmt das Vorgehen und die ersten Überlegungen. Von hier führt der Weg zu einer Arbeit, die zwar für den spezifischen Ort entstanden ist, aber auch darüber hinaus in anderen Zusammenhängen Gültigkeit hat. Wenn das nicht auf einer allgemeineren Ebene funktioniert, so zumindest meine Erfahrung, dann funktioniert die Arbeit insgesamt nicht. „Identities on Display“ kann also auch an einem anderen Ausstellungsort gezeigt werden, würde dort aber eine ganz andere Ausstrahlung bekommen und der Rezeption eine andere Richtung geben.

Holzer: Diese Arbeit stellt die generelle Frage an die Museen, wie man mit Eingangs- und Funktionsbereichen umgeht. Die Garderoben beispielsweise sind immer verdeckt angeordnet und im Eingangsbereich nie sichtbar. Es handelt sich um rein funktionale Bereiche. Das Projekt „Pre-Show“ leistet es sich, diese Konvention zu hinterfragen. Denn auch alltägliche Dinge können zum Erlebnis werden und nicht nur die Betrachtung eines indianischen Gewands hinter Glas! Man braucht eine Art „Humus“ für partizipative Experimente; diesen können die Museen eigentlich bieten. Dabei kann bereits das Ablegen der Garderobe ein museales Ereignis sein.


Barbara Holzer führt zusammen mit Tristan Kobler das 2004 gegründete Architekturbüro Holzer Kobler Architekturen in Zürich und Berlin. Das international agierende Studio deckt ein breites Spektrum von Städtebau bis Architektur, von Szenografie bis hin zum Kuratieren von Ausstellungen ab. Seit 2010 lehrt Barbara Holzer als Professorin an der Peter Behrens School of Architecture (PBSA) in Düsseldorf.



Karin Sander ist eine der renommiertesten deutschen Künstlerinnen. Ihre Arbeiten befinden sich in zahlreichen Museen: The Museum of Modern Art (MoMA), New York, Kunstmuseum Stuttgart und Staatsgalerie Stuttgart, Kunstmuseum St. Gallen, Nationalmuseum Osaka u.v.a. Seit 2007 ist sie Professorin für Architektur und Kunst an der ETH Zürich.

Monika Zessnik ist Kuratorin für Amerikanische Ethnologie und Kommunikation am Ethnologischen Museum der Staatlichen Museen zu Berlin. Davor war sie Kuratorin für Vermittlung und Bildung der Staatlichen Museen zu Berlin, Leiterin Kommunikation am Ibero-Amerikanischen Institut und Projektkoordinatorin am Haus der Kulturen der Welt in Berlin.

Barbara Schindler ist im Bereich der Kultur-PR tätig. Für das Humboldt Lab Dahlem betreut sie gemeinsam mit Christiane Kühl die Online-Dokumentation der Projekte.

Das Gespräch fand im September 2014 in Berlin statt.