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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Wissen teilen / Positionen


„Man muss zeigen, dass unsere Kultur gelebt wird – und wir es ihr verdanken, dass wir noch am Leben sind.“

Kachipiu Díaz aus dem Volk der Pemón ist Student und Koordinator, Kuyujani Lopez aus dem Volk der Ye'kwana Absolvent der Universidad Nacional Experimental Indígena del Tauca. Beide haben aktiv an der Webplattform „Wissen teilen“ mitgearbeitet. Im Gespräch bilanzieren sie die Erfahrungen der Zusammenarbeit – und pochen auf eine unbedingte Weiterführung der Kooperation zwischen westlicher Institution und indigenen Gemeinschaften.
Interview: Michael Kraus

Was halten Sie von der Idee des Projekts „Wissen teilen“? Warum machen Sie bei dem Projekt mit?

Kachipiu: Ich glaube, diese Arbeit ist von großer Bedeutung für alle indigenen Völker und auch für die übrige Menschheit. Der Ansatz erscheint mir sehr gut und sollte weitergeführt werden, es sollte eine kontinuierliche Zusammenarbeit daraus erwachsen. Das ist ein echter Fortschritt. Ich glaube, diese Internetplattform ermöglicht es uns indigenen Völkern, im Lauf der Zeit sichtbar zu werden.

Kuyujani: Das Projekt ist allein schon deshalb interessant, weil es Anstoß zu Gesprächen innerhalb unserer Gemeinschaften gegeben hat, und dieses Wissen kann uns allen zugänglich gemacht werden. Die Objekte, die Sie hier haben, diese kunsthandwerklichen Gegenstände, besitzen eine große Bedeutung für uns als Volk, und diese Bedeutung muss weitergegeben werden. Von uns als Indigenen. Wir haben eine Menge beizusteuern. Wir wollen auch die indigenen Gemeinschaften selbst stärker einbeziehen. Bislang läuft das Projekt nur über die Universidad Nacional Experimental Indígena del Tauca, aber wir brauchen unbedingt die Verbindung hinein in die indigenen Gemeinschaften: Dort ist die Kultur, nicht nur an der Universität.

Haben Sie beide bereits aktiv mit der Plattform gearbeitet?

Kuyujani: Ich habe gleich zu Beginn des Projekts von der Universität aus daran mitgearbeitet. Es geht darum, alles zu identifizieren, jedes einzelne Objekt, das sich hier im Ethnologischen Museum befindet. Wenn wir etwas nicht kennen, müssen wir die Gemeinschaft fragen, die Weisen. Wie heißt der Gegenstand und wozu wird er benutzt? Anschließend wird die Information auf die Plattform hochgeladen. Uns liegt viel daran, dass das Projekt weiterläuft und wir die Arbeit daran fortsetzen; dass wir zusammen mit den indigenen Gemeinschaften dem Ethnologischen Museum helfen. Man muss auch andere Völker einbeziehen, die an der Universidad Nacional Experimental Indígena del Tauca vertreten sind und deren Objekte sich hier im Ethnologischen Museum befinden. Wenn das Projekt weitergeht, werden neue Ideen auftauchen.

Kachipiu: Ich habe mich darum gekümmert, die Übersetzungen aus dem Pemón zu überarbeiten. Also sowohl die Begriffe, die die Sammler aufgenommen haben, als auch die Einträge, die die Pemón selbst auf der Online-Plattform gemacht haben.

Wie beurteilen Sie die Dokumentation der Objekte, so wie Sie sie vorgefunden haben? Gibt es Fehler?

Kachipiu: Vor allem bei der Schreibweise. Verschiedene Pemón-Gruppen müssen sich einigen, wie wir unsere Sprache übersetzen, das heißt: Taurepan, Arekuna und Kamarakoto benötigen Absprachen, um für alle drei Volksgruppen einheitliche Begriffe zu schaffen. Daher ist auch auf der Online-Plattform vieles zu korrigieren. Weiterhin gilt: Wir alle müssen soviel Informationen zusammentragen wie nur möglich. Wenn Institutionen wie das Ethnologische Museum eine Publikation herausbringen, sollten sie uns übers Internet oder auf anderem Weg informieren, damit wir als neues Amazonas-Museum auch auf dem Laufenden sind. Wir planen ja, auf Grundlage der Kooperation mit dem Ethnologischen Museum in Berlin ein Museum an der Universität in Tauca aufzubauen. Es muss verpflichtend sein, dass wir solche Informationen erhalten.

Haben Sie unter den Objekten der Museumskollektion in Dahlem Gegenstände aus Ihren Kulturen gefunden, die nicht mehr benutzt werden oder die man nicht mehr kennt, oder sind alle wohlbekannt und noch in Gebrauch?

Kuyujani: Wir haben hier Gegenstände entdeckt, die es bei uns nicht mehr gibt. Waffen, die von den Kriegern benutzt wurden, als sie gegen die Spanier kämpften, so hat es unser Ältester erzählt. Solche Dinge bekommt man heute in unserer Gemeinschaft nicht mehr zu Gesicht. Es gibt aber auch Gegenstände, die wir auch heute noch verwenden: die waja [Korbschalen], die Körbe, der Federschmuck – all das sind Alltagsgegenstände.

Kachipiu: Alles, was wir identifizieren konnten, ist in Gebrauch. Es ist bei den Pemón noch üblich, für die Verarbeitung von Nahrungsmitteln handwerklich hergestellte Gerätschaften zu benutzen. Diese Utensilien halten natürlich nur begrenzte Zeit. Ihre Haltbarkeit hängt mit der Verarbeitung der Nahrungsmittel zusammen und irgendwann legt man sie beiseite, man kann sie aufhängen und dann verrotten sie, sie sind biologisch abbaubar und belasten die Umwelt nicht. Meiner Ansicht nach ist das der richtige Weg, als Mensch die Artenvielfalt in der eigenen Umgebung zu erhalten, das verursacht keine Umweltverschmutzung. Das ist in meinen Augen wichtig.

Finden Sie es richtig, dass sich diese Objekte Ihrer Kultur in Deutschland befinden?

Kuyujani: Diese Dinge sind hier, und man muss respektieren, dass sie kulturelles Erbe des Museums sind. Wenn man sie zurückfordern wollte, müsste man alles ganz genau prüfen. Wie ist das Objekt hierher gekommen? Wenn es verkauft oder verschenkt wurde, gehört es dir. Wenn man etwas verkauft hat, dann kann man es nicht zurückverlangen. Das Interessante ist, dass das Museum diesen Austausch initiiert hat und den verschiedenen Gemeinschaften Gelegenheit bietet zu erfahren, dass ihre Objekte hier in Berlin sind. Das halte ich für gut und fair. Ab 2019 soll es eine Ausstellung im Humboldt-Forum geben, und die Verantwortlichen wollten, dass man vorher darüber spricht. Dahinter stecken gute Absichten. Ich finde es respektvoll, dass man uns Bescheid sagt, bevor man die Sachen ausstellt. Aktuell befinden sich ja all diese Dinge im Depot.

Kachipiu: Es ist wichtig, dass möglichst vieles hier im Museum konserviert wird, aber manche Objekte darf man nicht öffentlich zur Schau stellen, weil sie heilig sind. Nur unsere Weisen können mit ihnen umgehen, unsere Schamanen, die langjährige Erfahrung damit haben.

Dann gibt es doch Objekte, die nicht ausgestellt werden sollen?

Kuyujani: Zum Beispiel die Schamanensitzbank. Dieses Objekt darf nicht zu sehen sein, denn es ist in der indigenen Welt etwas Besonderes. Der Schamane ist derjenige, der für das Wohlergehen der Gemeinschaft, der Volksgruppe sorgt. Letztes Jahr haben wir mit einem unserer Ältesten die komplette Sammlung des Museums durchgesehen und gesagt, dass dieses Objekt so nicht präsentiert werden darf. Was die Ye'kwana betrifft, haben wir also diesen konkreten Fall eines Objekts gefunden, das nicht ausgestellt werden darf. Kunsthandwerk dagegen darf man zeigen. Das heilige Wissen liegt in den Händen unserer Weisen. Manches davon wird nicht an die Jungen weitergegeben, man muss den Zugang begrenzen. Wenn ich beispielsweise einem jungen Mann Dinge beibringe und er sie ins Gegenteil verkehrt, kann er mit diesem Wissen den Menschen Schaden zufügen. Deshalb dürfen die Objekte, die mit diesem Wissen zu tun haben, nicht ausgestellt werden. Sie haben große Bedeutung, eine starke Verbindung zum Spirituellen, und dafür sind bei uns die Ältesten zuständig. Es gibt sicher Jüngere, die sich für dieses heilige Wissen interessieren, aber man muss entscheiden, wer darin ausgebildet wird. Das ist nicht beliebig.

Wenn Sie beide Kuratoren einer Ausstellung hier in Berlin wären, welche Objekte würden Sie dann gern zeigen und welche Themen würden Sie in den Mittelpunkt stellen, damit die BesucherInnen die Situation der Ye'kwana und Pemón verstehen?

Kuyujani: Gern würden wir die indigene Kunst zeigen, die kunsthandwerklichen Objekte, den Federschmuck, die Körbe und die Technik, wie man eine waja flicht. Das ist künstlerisches Wissen, das kann man präsentieren, solche Dinge werden in den Gemeinschaften tagtäglich benutzt.
Wir glauben sehr an unsere Kultur, an unsere Spiritualität, das ist bis heute so. Es wäre gut zu zeigen, dass sie nichts Totes ist, sondern dass sie gelebt wird und wir es ihr verdanken, dass wir noch am Leben sind. Ohne unsere Kultur würde es uns nicht mehr geben. Es wäre gut, wenn auf den Schildern neben den Objekten im Museum stehen würde, ob das Objekt historisch ist oder heutzutage noch benutzt wird. Das wäre ein Weg, der Welt zu sagen, dass es noch indigene Völker gibt: Indem man darüber informiert, dass diese Objekte in Gebrauch sind. Viele Leute wissen nicht, dass es heute noch Indigene gibt. Sie denken, das wären lauter alte Geschichten, alle wären ausgestorben. Es ist gut, wenn die Leute sehen, dass unser Volk am Leben ist und dass es eine andere Kultur hat und Achtung verdient.

Kachipiu: Es eine lebendige Kultur, die sich anpassen kann. Es wäre wichtig für unsere Völker, dass man etwas über diese lebendige Kultur erfährt. Dies könnte eine Brücke bilden, die das indigene Wissen und die westliche Kultur miteinander verbindet. Meiner Ansicht nach kann das beide Kulturen bereichern.

In der Welt der Museen wird viel diskutiert über den Begriff des kulturellen Erbes und auch den Begriff „Gemeinsames kulturelles Erbe“. Sind Sie der Ansicht, dass die Sammlung eines europäischen Museums als gemeinsames kulturelles Erbe bezeichnet werden kann?

Kachipiu: Ja, es ist gemeinsames Erbe, denn ich als junger Mann würde im Rahmen dieses Gesprächs sagen: Es bereichert beide Kulturen. Wenn wir das Wissen beider Kulturen nicht teilen, erreichen wir gar nichts, deshalb ist die Zusammenarbeit zwischen uns Indigenen und den anderen Ländern wichtig. Das kann man als kulturelles Erbe beider Kulturen bezeichnen. Wir Pemón sagen, ein Schamane, ein Weiser, ist unser „lebendiges kulturelles Erbe“, er hat dieses ganze Wissen und kann erklären, wo die Menschen hingehen, vor allem wir Pemón. Das ist der Weise als lebendiges kulturelles Erbe, so haben wir es unsere Weisen, die unsere Erinnerungen bewahren, sagen hören. Als Indigene lernen wir durch mündliche Überlieferung und stehen dabei in Verbindung mit der organischen Welt um uns herum, der Natur. Man sollte auch alles aufschreiben, was man aufschreiben kann. Was man nicht aufschreiben kann, das Spirituelle, damit kann nur ein Pemón umgehen. Es gibt Geschichten von Forschern, die von Pemón gelernt haben, dieses Wissen dann aber falsch angewendet haben. Deshalb muss es teilweise mit Kommentaren der Weisen versehen werden. Das ist meine Meinung.

Kuyujani: Das sehe ich auch so.


Das Gespräch fand im September 2015 in Berlin statt. Transkription von Sebastián Messina, Übersetzung aus dem Spanischen von Ilse Layer.


Dr. Michael Kraus ist Ethnologe und Ausstellungskurator sowie Akademischer Rat an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Seine Forschungsschwerpunkte sind Wissenschaftsgeschichte, indigene Kulturen des Amazonasgebiets, Museumsethnologie/Museumspraxis, Visuelle Anthropologie sowie Materielle Kultur. Für das Humboldt Lab Dahlem kuratierte er das Projekt „Fotografien berühren“.


Ausweitung der Kontaktzone

von Wolfgang Kapfhammer

Kooperation und Achtsamkeit als urgent action

Die Aufgabe, den Kulturen des Globalen Südens mitten im Zentrum einer europäischen Metropole ein von kolonialem Ballast möglichst „dekontaminiertes“ Forum zu bieten, scheint sich den Debatten zufolge zunehmend zur Sisyphos-Aufgabe zu entwickeln. Das Humboldt Lab Dahlem versucht, die damit einhergehenden, für ein Museum entscheidenden Fragen der Repräsentation nicht nur diskursiv, sondern auch durch experimentelles Ausprobieren auszuhandeln. Das Teilprojekt „Wissen teilen“ zeigt, dass auch neue Formen der Kooperation und Aktion, die wieder in die sogenannten Herkunftsgemeinden der alten Sammlungen hineinreichen, zu den Anforderungen an das post-koloniale Museum gehören. Die post-koloniale Debatte um ethnologische Museen hingegen muss aufpassen, nicht in die Falle zu tappen und in denselben mentalen Infrastrukturen (Harald Welzer) zu verharren wie jene Organisationsformen, die sie notwendiger Kritik unterzieht. Indem die Debatte nämlich dem Kolonialismus einen derart totalisierenden Effekt unterstellt, dass auch späte „Wiedergutmachung“ gleich wieder in Zweifel gezogen werden muss, verweigert sie letztendlich den Subalternen jede Möglichkeit einer Beteiligung an der von den europäischen Museen monopolisierten Deutungsmacht; und zwar damals wie heute.

Eine der Ideen, auf die Kritik an ethnologischen Museen zu reagieren, war ja, diese als „Kontaktzonen“ (James Clifford) zu etablieren, in denen sich metropolitane Institutionen und periphere Herkunftsgemeinden „auf Augenhöhe“ begegnen sollten. Eine Begegnung, die aufgrund der institutionellen Beharrungskräfte der ethnologischen Museen als „Konserven des Kolonialismus“ (Christian Kravagna) gleich wieder kritisch hinterfragt worden ist. Das Projekt „Wissen teilen“ zeigt einen möglichen Ausweg aus dieser Catch-22-Situation. Mit der Online-Plattform wird zwischen Berliner Depots und indigenen PartnerInnen in der Savanne Venezuelas ein virtueller middle ground geschaffen, der eher jenen Stätten der Begegnung gleichkommt, die Mary L. Pratt gemeint hatte, als sie den Begriff „Kontaktzone“ in die ethnologische Debatte um den „imperialen Blick“ einführte. Denn die „Kontaktzone“ im metropolitanen Museumsdepot, wo die heutigen Begegnungen mit den HerstellerInnen der Objekte stattfinden (die „Kontaktzone“, von der James Clifford sprach), ist durchaus zu unterscheiden von der „Kontaktzone“ an der Peripherie, wo das Sammlungsgeschehen realiter stattfand (die „Kontaktzone“, von der Mary J. Pratt sprach). Dort, auf jenem middle ground, wurde die Forschungs- und Sammeltätigkeit von den kolonialen und imperialen Forschungspersönlichkeiten tatsächlich wesentlich von der Wissensmacht lokaler indigener SpezialistInnen geleitet und gestaltet. Das koloniale Selbstverständnis leugnete jedoch die massive Abhängigkeit von indigener Wissensmacht auf den Forschungsfeldern und versuchte, die so entstandenen hybriden Epistemologien der Kontaktzone von indigener Einfärbung zu reinigen.

Man kann vermuten, dass ausgerechnet die älteren Sammlungen die deutlichste Matrix indigenen Wissens aufweisen, insofern ihre Zusammensetzung noch am wenigsten vom westlichen Ordnungsstreben geleitet war. In dieser Perspektive bietet die in den kolonialen Sammlungen ruhende indigene Wissensmacht die Gelegenheit, in der Zusammenarbeit von Museen und Herkunftsgemeinden den schlafen gelegten transkulturellen Dialog wiederaufzunehmen; ein Dialog, der im Projekt „Wissen teilen“ bezeichnenderweise mit der Entwicklung von Ordnungsprinzipien gemäß der eigenen Lebenswelt begann.

Eine solche Kooperation ist nun mitnichten von krypto-kolonialer Scheinheiligkeit motiviert. Wie „Wissen teilen“ vor Augen führt, kann eine „epistemische Dekolonisierung“ (Larissa Förster) der Museen gerade in der Anerkennung der Leistung jener lokalen ExpertInnen eines „traditional ecological knowledge“ (Fikres Berkes) liegen, welche nunmehr in der neuen „Kontaktzone“ auf ihre Nachfahren treffen.

Die Zusammenarbeit schafft die gewünschte Mehrstimmigkeit in der Metropole, während gleichzeitig die Sammlungen wieder bis in den fernen indigenen Raum hinein wirken und dort das Schweigen über die eigene Kultur, auferlegt durch die lokale Diskriminierung, durchbrechen. Pratt zufolge gehört die so angeregte „autoethnografische Rede“ zu den charakteristischen Genres der „Kontaktzone“, in der sich Kritik und Widerstand Zugang zu den intellektuellen Domänen der hegemonialen Kultur verschaffen. Die Online-Plattform des Projekts ist offen für Gegenrede und die Möglichkeit, eigene Anliegen zu äußern.

Noch wichtiger, als sich in der Metropole Gehör zu verschaffen, ist allerdings, dass „Wissen teilen“ vor Ort in Tauca Gelegenheiten schafft, sich wieder in vielfacher Weise mit den Zeugnissen der eigenen Kulturen zu beschäftigen. Das Durchbrechen einer „Kultur des Schweigens“ (Paulo Freire) wird dann zur Wiederbelebung einer „Kultur der Achtsamkeit“ gegenüber der in die lokalen Umwelten eingebetteten Ästhetik der Sammlungsgegenstände. Eine solche Achtsamkeit ist nicht zuletzt Voraussetzung für die Widerstandsfähigkeit dieser differenziellen Lebensweisen. Die Lage in vielen Indianerterritorien des südamerikanischen Tieflands ist heutzutage wieder äußerst prekär. Ein Projekt wie „Wissen teilen“ wird angesichts einer solchen Lage zu einer urgent action, einer dringenden Maßnahme, weil über kurz oder lang die Möglichkeit jedweder Rückbindung an die eigene (materielle und andere) Kultur nicht mehr möglich sein wird. Angesichts dessen mögen die bisweilen narzisstisch um sich selbst kreisenden Repräsentationsdebatten in den metropolitanen Institutionen ein wenig in den Hintergrund treten.


Dr. Wolfgang Kapfhammer ist Ethnologe und Lehrbeauftragter an der Ludwig-Maximilians-Universität München, Schwerpunkt Amazonien. Seit 1998 forscht er bei den Sateré-Mawé vom Unteren Amazonas, Brasilien zu religions- und umweltanthropologischen Fragen und kooperierte mit Sateré-Mawé-VertreterInnen im Rahmen der Ausstellung „Jenseits von Brasilien“ am Weltmuseum Wien.