HINWEIS

Diese Website nutzt für statistische Erhebungen und zur Verbesserung des Internetauftritts das Webanalysetool Piwik. 

Aktuell wird ihr Besuch von der Piwik Webanalyse erfasst.

Nein, ich möchte nicht, dass mein Besuch erfasst wird.

ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Pre-Show. Identities on Display / Projektbeschreibung

Das Foyer als Ereignis

von Martin Heller

Die allererste Veranstaltung des kaum installierten Humboldt Lab war ein Workshop, der in Dahlem im Juni 2012 statt fand. Unter dem Titel „Fragen stellen“ befasste er sich mit Themen, die sich unmittelbar aus der Begegnung mit den Museen vor Ort ergaben. Unter den teilnehmenden GestalterInnen war Barbara Holzer vom Büro Holzer Kobler Architekturen. Ihre besondere Neugier galt dem großen, leeren und irgendwie ungastlichen Foyer, das in Dahlem alle Neuankömmlinge durchschreiten müssen, bevor sie sich für den Besuch entweder des Ethnologischen Museums (nach rechts) oder des Museums für Asiatische Kunst (nach links) entscheiden.

Diese disparate Eingangssituation macht deutlich, dass das Foyer zu Westberliner Zeiten, als auch die Gemäldegalerie noch zu Dahlem gehörte, funktional völlig anders organisiert war. Zugleich kamen in der Diskussion die Bedeutung solcher Eingangszonen und überhaupt der erste Blick in ein Museum ins Spiel, als tastende Begegnung noch vor jeder Prägung, sowie – umgekehrt – die Möglichkeit seitens des Museums, an das hier noch unbefangene und frische Publikum wesentliche Emotionen und Botschaften zu adressieren.

Die Ausstellung vor der Ausstellung

Daraus entstand „Pre-Show“ als eins der ersten Projekte des Humboldt Lab Dahlem. „Pre-Show“ war angelegt als Versuch, mit einer temporären Installation noch vor den Ausstellungen ein erstes Statement beider Museen zu liefern und damit die BesucherInnen auf eindrückliche Weise zu begrüßen sowie später auch wieder zu verabschieden.

Eine wichtige Rolle bei der Ideenfindung spielte ein hausinterner Workshop, den Holzer Kobler Architekturen für die Museumsleitungen und einige der KuratorInnen vorbereiteten. Dabei ging es um die inhaltlichen, didaktischen und szenografischen Möglichkeiten, die für ein solches Projekt zur Verfügung stehen, um eine Brücke zu schlagen zwischen der europäischen Alltagswelt außerhalb der Museen und den vielfach unbekannten, „fremden“ Kulturen und Zeiten im Innern.

Der Workshop selbst reflektierte verwandte narrative Elemente aus Kunst- und Medienbereichen (Intro, Trailer, Vorspann, Prolog, Ouvertüre, Teaser) und überprüfte diese anhand von Beispielen auf ihre Brauchbarkeit hin. Die unterschiedlichen Ausrichtungen solcher Angebote wurden ausführlich besprochen: Während die Pre Show in einem Vergnügungspark oder die Ouvertüre einer Oper als zwingende Einführung für alle BesucherInnen fungieren, sind Teaser und ähnliche Marketinginstrumente besondere Erlebnisangebote, die von der eigentlichen Erzählung, auf die sie hinweisen, abgekoppelt sind. Barbara Holzer und Tristan Kobler zeigten zudem künstlerische Arbeiten, in denen sich ähnliche Interessen manifestieren – etwa bei Olafur Eliasson, Mike Meiré oder Karin Sander.

In der Nachbereitung dieser Präsentation kamen eine Reihe von Inhalten und Themen zur Sprache, die sich für ein gemeinsames und wirksames Zeichen der beiden Museen eignen könnten. Die Sehnsucht nach dem Unbekannten und „Fremden“ gehörte ebenso dazu wie der Wunsch, bereits im Eingang deutlich werden zu lassen, dass zum Verständnis der Dahlemer Sammlungen und Ausstellungen jede Form von Eurozentrismus abzulegen sei. Rasch jedoch wurde klar, dass die Museen ihre BesucherInnen ins Zentrum stellen wollten – ein Anspruch, der auch die Planungsarbeit für das Humboldt-Forum bestimmt.

Exponat auf Zeit: „Identities on Display“

Aus solcher Vorarbeit entwickelten Holzer und Kobler drei konkrete Vorschläge für Projekte, von denen einer die klarste Zustimmung der Humboldt Lab-Leitung fand: ein Experiment, das in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Karin Sander entstand und von ihr als „Identities on Display“ bezeichnet wurde.

Die Grundidee war bestechend einfach: Die BesucherInnen wurden eingeladen, ihre Kleidungsstücke und Taschen nicht an der üblichen, vom Eingangsbereich aus nahezu unsichtbaren Garderobe abzugeben, sondern gleichsam öffentlich, in einer gläsernen Vitrine, zur Schau zu stellen.

Dafür platzierten Holzer und Sander im Foyer 26 eigens angefertigte, jeweils auf drei Seiten durch Glaswände einsehbare Schränke von über zwei Metern Höhe. Ein Grundmodell war auf EinzelbesucherInnen, ein anderes auf Paare oder kleine Gruppen ausgerichtet; es gab jedoch auch Schränke, die für Schulklassen oder Kindergruppen in Größe und Umfang angepasst waren. Der im Schloss steckende Schlüssel konnte mit einer Münze deblockiert, mitgenommen und am Ende des Besuchs wieder zurückgesteckt werden.

Zwei sich ergänzende Wirkungen standen im Vordergrund. Die erste: Das Foyer wurde vom bisherigen Niemandsland zu einer Art Landschaft, die eine rasche Durchquerung verunmöglichte und die BesucherInnen stattdessen sanft um die transparenten Hindernisse herum geleitete. Und die zweite: Jeder Besucher, jede Besucherin wurde noch vor dem Betreten der Ausstellung zu einer Entscheidung genötigt, sich buchstäblich zu exponieren oder – indem der herkömmlichen Garderobe der Vorzug gegeben wurde – in der Anonymität zu verbleiben.

Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß unterschiedlich aus. Mitunter wurde die Einladung nicht verstanden oder gar abgelehnt; dann wieder schien es, als würden die neuen Garderobenschränke als eine vermeintlich umbaubedingte Maßnahme gedankenlos hingenommen. Und wenn bei schlechten Wetterverhältnissen oder bei höheren Besucherzahlen mehr Jacken, Mäntel, Schirme und dergleichen zu verstauen waren, war die Belegung der Vitrinen zwangsläufig hoch.

In der Regel jedoch ließ sich das Publikum mit großer Freude auf das Spiel ein. Das belegen zahlreiche Beispiele, in denen sorgsame Arrangements der eigenen Habseligkeiten von gestalterischem Bewusstsein zeugten. Ein Bewusstsein, das die eigene Identität als Teil einer heterogenen, jedoch von derselben Absicht und von ähnlichem Vergnügen geleiteten sozialen Gruppe verstand und darin seinen Platz einnahm – ohne Anspruch auf eine besondere Repräsentanz oder gar eine Auszeichnung.

Geglücktes Experiment

Es war diese Niedrigschwelligkeit, die „Pre-Show“ so anziehend machte. Sie gab dem Publikum als Adressaten der musealen Zeige- und Vermittlungsbemühungen eine stellvertretende Körperlichkeit, die sich mit seinem Eintritt manifestierte, und die mit seinem Verlassen der Dahlemer Sammlungen wieder verschwand.

Nicht mehr – aber auch nicht weniger. Und es war erstaunlich, dass die Installation von Holzer/ Kobler und Sander bereits nach kurzer Zeit jedes provisorische Gepräge verlor, als selbstverständlicher Teil des Museums akzeptiert und darüber hinaus aktiv in etliche Veranstaltungen miteinbezogen wurde. Die Leere nach dem Ende von „Pre-Show“ löste bei vielen Mitarbeitenden denn auch ein leises Bedauern aus, quasi eine Art Phantomschmerz: als ob dem Museum seine BesucherInnen abhanden gekommen wären – was ja keineswegs zutraf.


Martin Heller ist Mitglied der Leitung des Humboldt Lab Dahlem und verantwortlich für die inhaltliche Konzeption des Humboldt-Forums.


Ein Gespräch zu diesem Projekt finden Sie hier.