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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Musik hören / Projektbeschreibung

Ein Soundarchiv ausstellen

von Lars-Christian Koch und Ricarda Kopal

Das Zentrum der musikethnologischen Ausstellung im Humboldt-Forum wird nach derzeitigem Planungsstand ein in seiner Ausstattung und Gestaltung qualitativ einzigartiger Hörraum sein. Dieser komplexe Raum verlangt, dass die Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv im Ethnologischen Museum in Berlin-Dahlem frühzeitig Konzeptionen und Formate erarbeitet, um ihn probehalber zu bespielen. Eine zentrale Frage im Rahmen der aktuellen Planung besteht darin, wie die Inhalte eines musikethnologischen Soundarchivs – also Klänge – zukünftig ausgestellt und mit anderen Sammlungsbeständen wie Fotografien, Film-/Videoaufnahmen oder anderen musikethnologischen Ausstellungsbereichen verknüpft werden können.

Ein Hörraum nimmt Gestalt an

Ein um ca. 30 Prozent verkleinerter Hörraum wurde in Anlehnung an die bereits für das Humboldt-Forum vorhandenen architektonischen und gestalterischen Entwürfe konstruiert und mit unterschiedlichen Programmen bespielt. Diese stellten in ihrer konzeptuellen Diversität verschiedene Fragen an den Raum: hinsichtlich der technischen Ausstattung, des Umgangs mit Sound- und audiovisuellen Materialien in sehr unterschiedlicher Qualität oder der Verfügbarkeit von begleitenden Informationen. Auch inhaltlich schlugen sie einen weiten Bogen und reichten von einer künstlerischen Auseinandersetzung mit einem besonderen Klangphänomen („Angeregte Klänge“ von Werner Durand), einer Einführung in nordindischen Kathak-Tanz („Kathak tanzen“ von Nicole Manon Lehmann), den Klängen einer Sufi-Zeremonie („sufisonics“ von Ulrich Wegner und Marcus Thomas) bis hin zum Sound der nordafrikanischen Megacity Kairo („Ambisonic City“ von Albrecht Wiedmann). Die Dauer der Programme, die im Hörraum hintereinander in einem Loop gespielt wurden, variierte zwischen 10 und 28 Minuten.

Im Rahmen von „Musik hören“ wurde zudem überprüft, inwieweit die audiovisuelle Dokumentation eines kulturübergreifenden Instrumentenbauprojekts für einen außerhalb des Hörraums gestalteten Ausstellungsbereich aufbereitet werden und dort mit Musikinstrumenten aus der Sammlung interagieren kann: „Making Of ... Musikinstrumente – Bautechnik, Design, Klangästhetik“. Dieser Bereich kombinierte die Präsentation von Saiteninstrumenten aus der musikethnologischen Sammlung mit im Rahmen des Humboldt Lab-Projekts entstandenem audiovisuellen Material, das den Umgestaltungsprozess von zwei ebenfalls ausgestellten Instrumenten dokumentierte und Eindrücke von deren Klang und Spielweise gab. Das audiovisuelle Material lief als Trailer auf einem zentral platzierten Screen, zwei iPads lagen für eine vertiefende Auseinandersetzung mit dem Projekt bereit. Der Raum bot ausreichend Sitzgelegenheiten, um sich in Ruhe auf das umfangreiche Material (insgesamt ca. 90 Minuten) einzulassen.

Die zeitliche und räumliche Überschneidung von „Musik hören“ mit der Sonderausstellung „Phonographierte Klänge – Photographierte Momente“1 wurde unmittelbar dazu genutzt zu testen, wie historische Tonaufnahmen und Archivdokumente mittels eines audiovisuellen Programms in eine bestehende Ausstellung eingebettet werden können. Das Humboldt Lab-Programm „Phonographische Kommission“ von Friederike Heinze war in einem Zwischenraum positionert, der die Sonderausstellung und den Hörraum miteinander verband. Mittels Beamer wurde das Bildmaterial an eine Wand projiziert, der Ton war über fest installierte Kopfhörer an der gegenüberliegenden Wand zu hören.

Dreidimensionaler Klang

Der Hörraum selbst bestand aus einem elliptischen Aufbau, der durch die am Projekt beteiligten MitarbeiterInnen des Fachgebiets Audiokommunikation der Technischen Universität Berlin mit einer sphärischen Schallfeldsynthese-Anlage inklusive eines Ambisonics Panning-Systems ausgestattet wurde. Dazu waren insgesamt 21 Lautsprecher eingebaut, die eine differenzierte akustische Gestaltung ermöglichten. Die technische Ausstattung des Hörraums orientierte sich genau wie die Gestaltung an den aktuellen Planungen für das Humboldt-Forum. Die Projektbeteiligten der TU Berlin beschreiben das Funktionieren der Anlage folgendermaßen: „Ambisonics-Panning basiert auf der Zerlegung virtueller Schallfelder in sphärische Kugelfunktionsreihen. Auf der Wiedergabeseite ermöglicht diese Art der Signaldarstellung eine einfache und echtzeitfähige Bewegung von virtuellen Schallquellen im dreidimensionalen Raum. Weitere gestalterische Freiheitsgrade, wie die Manipulation von Lautstärke, Räumlichkeit, Entfernung, Ausdehnung oder Klangfarbe machen das Verfahren vor allem für künstlerisch-kreative Anwendungen interessant“.

Die technischen Möglichkeiten der Ambisonics-Anlage lassen sich am Beispiel von „sufisonics. Klänge des mystischen Islam in Hamburg“ gut nachvollziehen. Die Idee dieser Klanginstallation bestand darin, eine Sufi-Gemeinde in Hamburg vorzustellen und den akustischen Eindruck eines Sufi-Rituals zu vermitteln. Die verwendeten Aufnahmen, Interviews mit Gemeindemitgliedern und Klangaufnahmen entstanden 2014 und 2015 in Hamburg in einem ähnlichen räumlichen Umfeld wie dem Hörraum-Modell. Unter Ausnutzung der Ambisonics-Anlage wurde dieses Ausgangsmaterial in einem klangkünstlerischen Prozess vor Ort im Hörraum zu einem Programm ausgestaltet, das den dokumentarischen Charakter weitgehend beibehielt. Der Fokus des Programms lag auf der auditiven Erfahrung, die Gestaltung des Raums war entsprechend reduziert.

Durch einen zentral im Hörraum platzierten Screen bestand darüber hinaus die Möglichkeit, auch Bildmaterial (Foto, Film, Video) in den Hörraum zu integrieren. Dies wurde im Rahmen der verschiedenen Programme unterschiedlich genutzt. So arbeitete „Kathak tanzen“ sehr intensiv mit Videomaterial, um beispielsweise Bewegungsabläufe oder auch das Anlegen der für diese Tanzform notwendigen Accessoires zu zeigen. Bei „Ambisonic City“ und „Angeregte Klänge“ liefen auf dem Bildschirm die Programmtitel sowie die Kurzbeschreibung, um den BesucherInnen eine Orientierungshilfe zu geben. Da die Programme bis zu 28 Minuten dauerten, war der Hörraum zudem mit Sitzgelegenheiten ausgestattet.

Das Humboldt Lab-Experiment „Musik hören“ war der erste Probedurchgang für den Hörraum, wie er im Humboldt-Forum konstruiert werden soll. Aus den zahlreichen Ideen für mögliche Programme wurden einige erprobt, wobei wesentliche Auswahlkriterien eine möglichst weite inhaltliche und konzeptuelle Streuung sowie die Umsetzbarkeit innerhalb eines sehr eng gesteckten Zeitrahmens waren. Für die weitere Planung ergaben sich aus dem Projekt wichtige Erkenntnisse: So wird künftig die akustische Gestaltung des Raums noch stärker in den Fokus rücken. Die visuellen Gestaltungsmöglichkeiten sollen möglichst flexibel geplant werden, damit es auch reine Hörprogramme geben kann. Um die BesucherInnen beim Betreten des Hörraums darüber zu informieren, was sie gerade hören, sind Hinweise auf die Programme (Zeitplan) notwendig. Erläuterungen der technischen Besonderheit des Hörraums sind unbedingt erforderlich, vor allem da die Lautsprecher und weitere technischen Einbauten im Humboldt-Forum so nicht mehr sichtbar sein werden. Diese Erkenntnisse werden in den weiteren Planungsprozess auf dem Weg ins Humboldt-Forum unmittelbar einbezogen und in neu zu konzipierende Programme sowie auch in eine eventuelle Modifikation der im Rahmen des Humboldt Lab-Projekts entstandenen Materialien für eine weitere Nutzung einfließen.

1 „Phonographierte Klänge – Photographierte Momente. Ton und Bilddokumente aus deutschen Kriegsgefangenenlagern im Ersten Weltkrieg“ (10. Oktober 2014 bis 3. Mai 2015) war eine Kooperation der Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv des Ethnologischen Museums mit dem Museum Europäischer Kulturen, Berlin.


Prof. Dr. Lars-Christian Koch ist Leiter der Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv am Ethnologischen Museum; außerplanmäßiger Professor für Musikethnologie an der Universität zu Köln und Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Theorie und Praxis der indischen, insbesondere der nordindischen Raga-Musik, Instrumentenkunde, Musikästhetik im interkulturellen Vergleich, Interpretationen außereuropäischer Musik im historischen Kontext und Musikarchäologie.

Dr. Ricarda Kopal ist wissenschaftliche Mitarbeiterin / Kuratorin der Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv am Ethnologischen Museum. Ihre Forschungsinteressen und -schwerpunkte sind: (Popular)Musik in/aus Nordeuropa, Wechselwirkungen zwischen medientechnischen Entwicklungen und musikethnologischer Forschung sowie eine musikethnologische Auseinandersetzung mit „klassischer“ Musik.


Weiterführende Texte zu diesem Projekt finden Sie hier.