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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Musik hören / Positionen


Das Zwischenergebnis als Wegweiser

Die Resultate aus dem Humboldt Lab-Projekt „Musik hören“ fließen unmittelbar in die aktuelle Planung der Präsentation der musikethnologischen Sammlung im Humboldt-Forum ein. Um technische, gestalterische und inhaltliche Aspekte daraufhin zu überprüfen, was als gelungen und übertragbar, als verbesserungswürdig bzw. als zu vernachlässigend erscheint, trafen sich die Projektbeteiligten am 4. Februar 2015 im Hörraum zu einem Halbzeitgespräch: Lars-Christian Koch, Ricarda Kopal und Albrecht Wiedmann (Ethnologisches Museum), Martin Heller und Agnes Wegner (Humboldt Lab Dahlem), Alexander Lindau (Technische Universität Berlin) sowie Vanessa Offen (Ralph Appelbaum Associates).
Aufzeichnung: Barbara Schindler

Aspekte des Zusammenwirkens von auditiven und visuellen Aspekten

Ricarda Kopal: Die erste Frage, die wir besprechen wollen, gilt dem Zusammenspiel von auditiver und visueller Ebene (im Hör- und Making of-Raum) – und wie das funktioniert. Der Zeitpunkt ist günstig: Das erste Programm von Werner Durand war rein akustisch, das zweite von Nicole Lehmann „Kathak tanzen“ ist visuell sehr stark. An beiden können wir ablesen, wie hier im Raum der Screen funktioniert und was daraus für die weitere Planung im Humboldt-Forum mitzunehmen bzw. anders zu konzipieren ist.

Lars-Christian Koch: Wir hatten ja lebhaft diskutiert, ob wir überhaupt einen Bildschirm verwenden sollten – beim Humboldt Lab als auch künftig im Humboldt-Forum – und ob es zwei oder auch vier Monitore sein sollten. Weil aber eine sinnvolle Konstellation einfach zu kostenintensiv ist, hatten wir uns geeinigt, bei der Eröffnung von „Musik hören“ gar nichts Visuelles zu machen und diesen Screen erst später bei „Kathak“ hinzufügen, quasi als Test.

Martin Heller: Wie viele Bildschirme im Hörraum sind, scheint mir zum jetzigen Zeitpunkt weniger wichtig als die Möglichkeit, sie völlig abschalten zu können – also eine reine Tonproduktion zu hören und Informationen eventuell auf einem Handzettel zu bekommen. Denn bei der Art von Zentralsymmetrie, wie wir sie jetzt mit einem mittigen Screen und der Ausrichtung der Stühle darauf haben, stellt sich mit der Sprecherstimme eine Situation wie in der Tonbildschau her und zerstört das ganze Potenzial des Raums.

Kopal: Grundsätzlich war ja die Frage, wie man auditive und visuelle Komponenten zusammen bringt. Aber die Ausmaße waren unglaublich, denn zwischenzeitlich stand gerade der visuelle Aspekt total im Vordergrund.

Albrecht Wiedmann: Ich finde es schade, bei einem Hörraum über visuelle Komponenten zu sprechen. Wir sollten uns vielmehr überlegen, ob dieser Raum, so wie wir ihn technisch derart gut ausgestattet haben, mit diesem Programm tatsächlich auch ausgenutzt ist. Das würde ich für Durands Programm bejahen, für „Kathak“ würde auch eine Surround-Anlage 5.1 reichen. Wir müssen uns entscheiden, ob wir solche Programme in einen derartigen Hörraum integrieren wollen oder nicht. „Kathak“ ist ohne Frage interessant, aber der Witz an dieser Anlage erschließt sich gar nicht.

Kopal: Im Prinzip stehen das Visuelle und das Auditive hier sogar in Widerspruch. Es stellt sich kein Hörerlebnis ein, weil man auf den Screen fixiert ist – wohl auch, weil es nur einer ist.

Alexander Lindau: Es gäbe auch technisch-dramaturgische Möglichkeiten, das wieder zu entzerren, sowohl räumlich als auch zeitlich. Wenn es Bildinhalte geben soll, dann vielleicht eher so, dass die Leute frei umhergehen und etwas sehen können, aber nicht müssen. Es gab ja die schöne Idee, Fußschritte auf den Boden zu projizieren um die Leute zu animieren, bei „Kathak“ mitzumachen. Um auditive und visuelle Programmpunkte zu entkoppeln, wäre es auch möglich, die Programme zeitlich zu verschachteln. Also zuerst nur „Kathak“, dann blenden Sie auf Schwarz und man hört fünf Minuten lang nur Werner Durands Arbeit. So könnte man bewusst zwischen Seh- und Hörzeiträumen hin- und herschalten.

Wiedmann: Die Frage bleibt aber immer, wie wir den Besucher informieren, wo, an welcher Stelle und an welchem Zeitpunkt er sich gerade befindet.

Lindau: Genau dafür hätte ich mir zum Beispiel einen Bildschirm vorgestellt, auf dem man das durchlaufende Tagesprogramm lesen kann. Da sähe man beispielsweise den letzten und die beiden nächsten Programmpunkte, und dabei den aktuellen fett gesetzt und inklusive einer Minutenanzeige...

Vanessa Offen: Ja, ohne speziellen Grund sollte ein Programm nicht länger als 20 Minuten dauern.

Kopal: Am Anfang war auch nicht klar, ob wir die jeweiligen Programme hintereinander einspielen und im Dauerloop laufen lassen. Oder ob es besser wäre, Themenschwerpunkte zu setzen, also dienstags dieses Programm und mittwochs jenes, und das wochen- oder tageweise wechseln. Das könnte man auch ausprobieren. Dabei könnte man den Raum auch möbeltechnisch umgestalten: also beim Hören von Durands Programm oder vom Soundscape von Kairo alles, was visuell ist (Screen) rausschmeißen, weil man das in dem Zusammenhang nicht braucht.

Heller: Es gibt noch einen interessanten Aspekt, der ganz wesentlich ist: „Kathak“ ist ein gesprochenes Programm, und wahrscheinlich sind von der Steuerung her die Klangteile gegenüber der Stimme zurückgenommen. Letztlich erzählt mir jemand didaktisch etwas über ein Phänomen – aber ob ich im Hörraum oder vor einem Computer sitze, spielt eigentlich keine Rolle. Ich habe ein Lern- oder Bildungsprogramm und am Schluss weiß ich etwas, aber ich habe kein Erlebnis mehr.

Koch: Die ersten Planungen sahen anders aus. Da sollten auf vier Screens vier verschiedene Informationssettings laufen, die im Raum unterschiedlich verortet gewesen wären – dass du also hier etwas anderes hörst als dort.

Wegner: Was das an Potenzial hat! Da finde ich die Idee mit den Fußtapsen auf dem Boden unbedingt festhaltenswert, denn dann kann so ein didaktisches Programm zum Beispiel auch ein Tanzkurs sein.

Kopal: Das war ja auch zwischenzeitlich die Idee gewesen. Deswegen hatten wir mit Nicole Lehmann diese Aufnahmen gemacht, auf denen sie die elementaren Grundschritte des indischen Tanzes zeigt. Das mit Bodenleuchten zu koppeln und die Leute zum Mitmachen zu animieren, wäre möglich gewesen. Einerseits also Infoprogramm, um zum Beispiel über die Historie des Kathak-Tanzes etwas zu erfahren, und andererseits die Möglichkeit, ihn praktisch auszuprobieren. Aber das ist dann anders geworden.

Heller: Das sind die Dinge, die man mitnehmen kann: einen Infoblock und einen Spielblock, denn es könnte auch für andere Projekte interessant sein, diese zu entkoppeln.

Die Bedeutung von Texten und deren sinnvolle Integration

Kopal: Daran schließt ganz gut die nächste Frage unseres Gesprächs an, inwieweit eine Textebene zu jedem Programm notwendig ist und wie diese sinnvoll integriert werden kann.

Wegner: Wichtig ist die zeitliche Orientierung – wenn es die Menschen nicht sofort packt, dann nehmen sie den Flaneurmodus durchs Haus an. Laut Statistik hat das Publikum 1,2 Sekunden pro Objekt – hier bleiben sie schon länger, gerade wegen der Stühle und dem Monitor, aber sie flanieren auch weiter, weil sie nicht genau wissen, wie lange das Programm läuft.

Offen: Und das wird sich im Humboldt-Forum verstärken: zum einen, weil viel mehr Leute da sein werden und zum anderen, weil noch mehr zu sehen sein wird, vor allem in den angrenzenden Räumen.

Heller: Nochmal zum Text – beim Kathak-Programm fand ich den Wechsel von Informationsebenen interessant, aber zu übervoll. Bis zum Schluss hab ich mich gefragt, was soll hier alles erzählt werden? Das war nie richtig fassbar: von Kolonialgeschichte über die ganze Geschichte des Tanzes plus die Spielfilmszenen – das alles konkurrierte miteinander.

Kopal: Es war für Nicole Lehmann wichtig, wissenschaftlich korrekt zu sein – speziell in Hinblick auf die Vertreter der hiesigen Source Community und ihre Kollegen aus Indien wollte sie keine Fehler machen und alles unterbringen.

Heller: Ich würde mich eher an der Falsifizierbarkeit orientieren: es darf nichts kommuniziert werden, was die Source Community als falsch identifiziert. Im Hinblick auf weitere komplexe Produktionen sollte mit den AutorInnen besprochen werden, was entstanden und wo der rote Faden ist.

Wegner: Was plant ihr bei dem neuen Sufi-Programm?

Wiedmann: Unser Kollege Ulrich Wegner hat in Hamburg eine religiöse Zeremonie in einem ähnlich großen Raum wie hier aufgenommen und möchte diese Tonaufnahmen zusammen mit einem Klangkünstler in unseren Klangraum übertragen. Dazu kommen Interviews mit den Mitgliedern einer Sufi-Gemeinde in Hamburg, Dauer maximal eine halbe Stunde. Wegner hätte gerne als Standbild eine Gebetsecke und das Bild soll nach Osten ausgerichtet sein. Wir können hier also die Screens nicht beliebig aufstellen...

Intensivierung von Hören bzw. Sehen

Heller: Kann man das, wovon wir gesprochen haben, in der Planung berücksichtigen: dass es einen separaten Informations- und einen Spielteil gibt, dass die vier Ebenen – ständiges Sprechen, Hören, Sehen und Text lesen – klar gegliedert sind und dass es eindeutigere Passagen gibt, wo ich nur sehe oder höre, wo – anders als beim Radiofeature – immer für Abwechslung gesorgt ist.

Kopal: Das wird auf jeden Fall so sein, auch weil Herr Wegner sich die bisherigen Programme sehr genau angesehen hat und bei ein paar Punkten ganz konkret gesagt hat, dass er es anders machen würde. Und er möchte das Hören in den Mittelpunkt stellen.

Offen: Es wird also hier kein Video, kein Standbild geben – gerade bei Sufi, wo jeder an den Tanz denkt? Eine wichtige Frage ist noch, für welche Programme dieses technische Set-up wirklich einen entscheidenden Mehrwert hat. Es wird natürlich auch Situationen im Humboldt-Forum geben, wo man etwas hören kann (zum Beispiel  alte Aufnahmen auf Kassetten), wo so eine Anlage nicht unbedingt gebraucht wird. Also, wofür eignet sie sich besonders und wann stellt sich dieser Effekt auch ein?

Lindau: Die Ambisonics-Anlage spielt ihre Fähigkeiten vor allem bei bewegten, verräumlichten Szenen mit vielen einzelnen Klangobjekten aus. Man hat mit dem System den Freiraum, jedes Objekt einzeln in Position, Distanz und Verräumlichung zu manipulieren.

Koch: Wir werden künftig auch die Aufnahmen anders gestalten (siehe das Sufi-Programm). Das ist der eigentliche Mehrwert, der unsere Arbeit komplett verändern wird, denn wir werden mit diesen Möglichkeiten anders im Feld aufnehmen und anderes Material generieren.


Martin Heller ist Mitglied der Leitung des Humboldt Lab Dahlem und verantwortlich für die inhaltliche Konzeption des Humboldt-Forums.

Prof. Dr. Lars-Christian Koch ist Leiter der Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv am Ethnologischen Museum; außerplanmäßiger Professor für Musikethnologie an der Universität zu Köln und Honorarprofessor an der Universität der Künste Berlin. Seine Forschungsschwerpunkte sind: Theorie und Praxis der indischen, insbesondere der nordindischen Raga-Musik, Instrumentenkunde, Musikästhetik im interkulturellen Vergleich, Interpretationen außereuropäischer Musik im historischen Kontext und Musikarchäologie.

Dr. Ricarda Kopal ist wissenschaftliche Mitarbeiterin / Kuratorin der Abteilung Musikethnologie, Medientechnik und Berliner Phonogramm-Archiv am Ethnologischen Museum. Ihre Forschungsinteressen und -schwerpunkte sind: (Popular)Musik in/aus Nordeuropa, Wechselwirkungen zwischen medientechnischen Entwicklungen und musikethnologischer Forschung sowie eine musikethnologische Auseinandersetzung mit „klassischer“ Musik.

Dr. Alexander Lindau studierte an der Technischen Universität Berlin Kommunikationswissenschaften, Elektrotechnik und Technische Akustik und absolvierte sein Doktorat an den Deutsche Telekom Innovation Labs sowie am Fachgebiet Audiokommunikation der TU Berlin. Zurzeit ist er als Postdoktorand und Forschungskoordinator in der DFG-Forschergruppe SEACEN (Simulation und Auswertung von akustischen Umgebungen) tätig. Alexander Lindau ist Autor, Co-Autor und Mitherausgeber von mehr als 50 Konferenzbeiträgen, Zeitschriftenartikeln, Tagungsbänden und Buchkapiteln. Seine Publikationen umfassen sowohl Beiträge zur psychoakustischen und kognitiven Bewertung virtueller akustischer Umgebungen als auch zu deren technischer Optimierung.

Vanessa Offen ist seit 2012 Interpretive Planner bei Ralph Appelbaum Associates Inc. (RAA), Berlin, und hier für alle inhaltlichen Belange in Bezug auf das Humboldt-Forum verantwortlich. Vor ihrem Einstieg bei RAA arbeitete sie für das Büro Praxis für Ausstellungen und Theorie [Hürlimann | Lepp | Tyradellis] als Projektmanagerin großer Sonderausstellungen, so unter anderem für die Ausstellungsprojekte „Wunder“ (Hamburg, 2011), „Schmerz“ (Berlin, 2007), „Arbeit. Sinn und Sorge“ (Dresden, Frankfurt am Main, 2009/2012), „Max Frisch“ (Zürich und Berlin, 2011/2012), „PSYCHOanalyse“ (Berlin, 2006). Zuvor war sie, nach dem Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und des Rechts, im Studio Daniel Libeskind in der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig.

Agnes Wegner ist seit Juli 2012 Leiterin der Geschäftsstelle des Humboldt Lab Dahlem.

Albrecht Wiedmann absolvierte eine Ausbildung als Tontechniker und studierte Vergleichende Musikwissenschaft, Musikwissenschaft und Publizistik. Er ist im Ethnologischen Museum Berlin als Tontechniker beschäftigt.

Barbara Schindler ist im Bereich der Kultur-PR tätig. Für das Humboldt Lab Dahlem betreut sie gemeinsam mit Dagmar Deuring und Christiane Kühl die Online-Dokumentation der Projekte.


Text und Ton. Aspekte der Betextung in einer Musikausstellung

von Elisabeth Magesacher

Im Rahmen eines DFG-Projekts setze ich mich mit aktuellen Musikausstellungen auseinander, die Musikinstrumente außereuropäischer Kontexte präsentieren. So werden beispielsweise die Konzeptionen und Interpretationsangebote von Ausstellungen im Ethnologischen Museum in Berlin, dem Musée de la musique in Paris oder dem Münchner Stadtmuseum analysiert. Da einer der Untersuchungsschwerpunkte die Ausstellungsrezeption ist, werden die Eindrücke der BesucherInnen in kurzen Interviews erfasst. Auffallend dabei ist, dass nahezu alle befragten Personen das Vorhandensein von Hörangeboten in Form von Klangbeispielen bestimmter Instrumente, Medienstationen, Soundinstallationen und dergleichen als besonders eindrucksvoll hervorheben oder das Fehlen solcher Angebote in den Ausstellungen bemängeln. Dies verdeutlicht einerseits die (naheliegende) Erwartung von MuseumsbesucherInnen, in einer Musikausstellung auch tatsächlich etwas hören zu wollen. Andererseits scheint es, dass das Hören trotz heutiger technischer Möglichkeiten hier offenbar noch keine Selbstverständlichkeit ist.

Wie RezipientInnen etwas hören, das Gehörte einordnen und bewerten, wird maßgeblich durch das jeweilige Vorwissen über die Musik, den musikalischen Kontext, die Klangästhetik und dergleichen beeinflusst. In Musikausstellungen spielen daher schriftliche Informationen über die Ausstellungsinhalte eine wesentliche Rolle. Diese beeinflussen die Rezeption der BesucherInnen, indem sie individuelle Lesarten, Schlussfolgerungen, „Aha-Erlebnisse“ und Gedankengänge anstoßen sowie Interpretationsmöglichkeiten einschränken bzw. eröffnen. Neben der Funktion, Informationen zu vermitteln, Ausgestelltes zu benennen, zu erklären oder zu kommentieren, dienen schriftliche Texte auch der Orientierung, indem sie BesucherInnen durch die Ausstellung leiten und Beziehungen zwischen den Inhalten herstellen. Textsorte, -menge und ihre Positionierung sind also für die Rezeption von Ausstellungen relevant.

Im Folgenden sollen der im Rahmen des Humboldt Lab-Projekts „Musik hören“ konzipierte „Hörraum“ und das Instrumentenbauprojekt „Making Of ...“ aus einer museumsanalytischen Perspektive unter besonderer Berücksichtigung der Betextung betrachtet werden. Wie viel Text gibt es und wo ist er positioniert? Welche Funktion haben die Texte, inwieweit informieren sie oder dienen der Orientierung? Regen sie zu individuellen Schlussfolgerungen oder Reflexionen an? Können sie unabhängig voneinander gelesen werden oder bauen sie aufeinander auf? Wie gehen sie mit dem unterschiedlich ausgeprägten Vorwissen der BesucherInnen um?

„Hörraum“

Im „Hörraum“, einem abgetrennten Bereich innerhalb der Ausstellungsfläche, werden vier verschiedene audiovisuelle Programme präsentiert. Im Hörraum selbst gibt es keine Texte; alle wesentlichen Informationen werden außerhalb des Raums angeboten: Eine Übersicht mit der Angabe von Titel, Länge und UrheberInnen der Programme dient der raschen Orientierung und informiert die BesucherInnen darüber, was sie im anschließenden Hörraum erwartet. Dies kommt besonders jenen RezipientInnen entgegen, die sich lediglich einen knappen Überblick verschaffen möchten, ohne weitere Texte zu lesen. Nähere Informationen zu den Programmen finden sich in Form von Kurzbeschreibungen, die in wenigen Sätzen über die Entstehung, den Inhalt sowie den Aufbau informieren und dabei so formuliert sind, dass für das Verstehen kein spezielles Vorwissen nötig ist. Diese Texte tragen dazu bei, das Interesse der BesucherInnen zu wecken und sie zum Betreten des Hörraums zu animieren. Neben den Programmbeschreibungen informiert ein Plakat mit Texten, Fotos und Skizzen über die technischen Funktionsweisen des Hörraums. Auch wenn die anspruchsvollen Erklärungen möglicherweise nicht für alle RezipientInnen leicht verständlich sind, vermitteln die Abbildungen und Skizzen anschaulich einen Einblick in die technische Ausstattung und damit in die Entstehung des räumlichen Klangerlebnisses im Hörraum. Zwei weitere Texte erörtern das zugrunde liegende Konzept des Hörraums sowie der gesamten Exposition „Musik hören“. Sie informieren nicht nur, sondern reflektieren auch über die Möglichkeiten, wie audiovisuelle Quellen in Ausstellungen präsentiert werden können. Besonders die darin formulierten Fragen1 regen zu einer Auseinandersetzung und zu individuellen Gedankengängen an.

Der Verzicht auf Texte im Hörraum selbst ermöglicht, dass sich BesucherInnen hier auf das Wahrnehmen der Programme und das auditive Erleben konzentrieren können. Die Texte außerhalb des Raums hingegen informieren über verschiedene Aspekte dieses Konzepts und bieten eine vertiefende inhaltliche Auseinandersetzung an.

„Making of ...“

Im Ausstellungsbereich „Making of ...“ informiert ein Text über das der Ausstellung vorangegangene Projekt, bei dem zwei Instrumentenbauer aus Deutschland und Indien zwei identische Saiteninstrumente nach ihren jeweiligen klanglichen Idealvorstellungen umformten. Die audiovisuelle Dokumentation dieses interkulturellen Projekts wird im Ausstellungsbereich auf einem Monitor gezeigt. Der eigentlichen Projektbeschreibung voran geht ein Textabschnitt2, der den Zusammenhang zwischen der Konstruktion von Musikinstrumenten und kulturspezifischen Klangvorstellungen erläutert. Dadurch informiert der Text nicht nur, sondern regt auch zu individuellen Überlegungen zu klangästhetischen Fragen an. Des Weiteren finden sich in der Ausstellung Texte in unmittelbarer Nähe der ausgestellten Musikinstrumente, die diese kommentieren3 und unabhängig voneinander gelesen werden können. Da sie sich direkt auf die ausgestellten Instrumente beziehen, sind sie sehr anschaulich und vermitteln eine Vielzahl von knapp und prägnant formulierten Informationen. Dies kommt den BesucherInnen mit unterschiedlich ausgeprägtem Vorwissen trotz der Verwendung von Fachbegriffen entgegen.

Die Bezüge zwischen den ausgestellten Instrumenten, dem Videomaterial und dem interkulturellen Instrumentenbauprojekt als eigentlichem Ausgangspunkt der Ausstellung könnte in den Texten noch stärker hervorgehoben werden, um so das Erfassen des Gesamtkonzepts zu erleichtern. Beispielsweise beschreibt der Text „Danelectro Coral Sitar“ zwar die Modifikation der Instrumente durch die beiden Hersteller aus Deutschland und Indien – die Verbindung zum Projekt ist jedoch nur nachvollziehbar, wenn man zuerst die Beschreibung im eingangs erwähnten Text mit der Überschrift „Making of ...“ gelesen hat. Da das interkulturelle Experiment neugierig macht, könnte diese Erläuterung deutlich sichtbarer präsentiert werden, beispielsweise auf einer zentral positionierten eigenen Texttafel. Dies würde auch der besseren Orientierung in der Ausstellung dienen. Ebenso könnten Verweise auf die gezeigten Videoaufnahmen den Zusammenhang zwischen den einzelnen Ausstellungselementen und damit das Gesamtkonzept der Präsentation stärker verdeutlichen.

Über das Hören hinaus

Das Lab-Projekt „Musik hören“ kommt dem Wunsch von BesucherInnen nach Hörangeboten in Musikausstellungen in hohem Maße entgegen. Mit dem „Hörraum“ wird ein Ort geschaffen, an dem audiovisuelle Quellen einem Publikum in besonderer Klangqualität präsentiert werden und – verstärkt durch das Verzichten auf Text im Raum selbst – die Konzentration auf das Hören erfolgen kann. Indem hier nicht nur Klangbeispiele, sondern längere Programme in einem eigenen Bereich präsentiert werden, nimmt das Hören im Vergleich zu Ausstellungen in anderen Museen einen großen Stellenwert ein. Das Konzept von „Making Of ...“ zeigt, wie eine Annäherung an Musikinstrumente über ein interkulturelles Projekt gestaltet werden kann und behandelt das in vielen anderen Musikausstellungen vernachlässigte Thema des Instrumentenbaus.
In Bezug auf die Betextung ähnelt „Musik hören“ anderen aktuellen Musikausstellungen, indem es kürzere Texte verwendet. Diese liefern Informationen auf unterschiedlichen Wissensebenen und können größtenteils unabhängig voneinander gelesen werden. So ermöglicht diese Art der Betextung eine individuelle Auseinandersetzung mit dem Thema und regt über eine bloße Information hinaus vielfach eigene Reflexionsprozesse an.


1 „Was können die BesucherInnen sehen, wenn sie hören? Wie sollen sie hören und sehen?“ „Wie kann ein Soundarchiv mit sehr unterschiedlichen Inhalten ausgestellt und damit hör- und erlebbar gemacht werden [...]?“
2 „Musikinstrumente und Klangobjekte werden nach ästhetischen Konzepten konstruiert, die auf kulturspezifischen Klangvorstellungen beruhen [...]“.
3 „Ein Sarod ist aus einem Holzblock herausgearbeitet, hat ein tailliertes Korpus, eine Hautdecke und einen sich konisch verjüngenden Hals sowie Resonanzsaiten. Es handelt sich um ein Zupfinstrument ohne Bünde und mit einer Metallplatte als Griffbrett.“


MMag. Elisabeth Magesacher studierte Musikwissenschaft mit Schwerpunkt Ethnomusikologie an der Universität Wien. Ihre Diplomarbeit „Mandoliny: Die Halslaute Südwestmadagaskars“ wurde mit dem Dr.-Walther-Liebehenz-Preis für hervorragende Leistungen auf dem Gebiet der Kulturellen Musikwissenschaft / Musikethnologie (Georg-August-Universität Göttingen) ausgezeichnet. Derzeit ist sie als Projektmitarbeiterin beim DFG-Projekt „Ausgestellte Musik. Untersuchungen zur Vermittlung und Rezeption von musikalischen Themen im Museum“ unter der Leitung von Prof. Dr. Andreas Meyer an der Folkwang Universität der Künste in Essen tätig.