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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Spiel der Throne / Projektbeschreibung

von Angela Rosenberg

Die Ausstellung „Spiel der Throne“ widmete sich experimentellen künstlerischen Präsentationsformen historischer Artefakte und den Möglichkeiten von Ausstellungsarchitektur, Ausstellungsdesign und Szenografie. Im direkten Nebeneinander befassten sich drei internationale KünstlerInnen und ein Designer mit einem herausragenden Objekt aus der Sammlung des Museums für Asiatische Kunst in Berlin. Im Zentrum der Betrachtungen von Konstantin Grcic, Kirstine Roepstorff, Simon Starling und Zhao Zhao stand der chinesische Kaiserthron mit dazugehörigem Paravent, angefertigt von den kaiserlichen Werkstätten in der Ära Kangxi (1662–1722). Das künstlerische Experiment „Spiel der Throne“ bewegte sich weg von einer Rekonstruktion architektonischer Palastbezüge und hin zu explizit inhaltlichen Bezugsebenen. Im Rahmen des Humboldt Lab wollte es Zugänge zum Exponat schaffen, die ein sinnliches, assoziatives Erlebnis ermöglichen und diskursive, in unsere Gegenwart hineinwirkende Räume. Diese waren modellhaft in einem nahezu absurd anmutenden Nebeneinander von vier Thronsälen begehbar. Das Setting für diese imaginären Thronsituationen bestand aus vier abstrahierten, in Originalgröße nachgebauten Thronensembles. Sie dienten als Platzhalter für den eigentlichen Thron, der aus restauratorischen Gründen nicht bewegt werden durfte. Das Projekt, benannt nach dem amerikanischen Fantasybestseller „A Game of Thrones“ von George R. R. Martin, wagte damit eine ungewöhnliche Annäherung an die Machtinsignien eines in Europa lange auf seine Exotik reduzierten Landes und fragte zugleich nach dem Potenzial szenischer Interpretation im Museum überhaupt.

Wissenschaftliche Recherche

Der Ausstellung ging eine Recherchephase voran, die sich mit der Inszenierung chinesischer Kaiserthrone in Palästen, Museen und Sammlungen befasste. Eine Auswahl von Texten und Bildern informierte im Rahmen der Ausstellung über Architektur und Gestaltung kaiserlicher Palastanlagen in China, die tradierten kanonischen Vorgaben folgten, von denen aber nur wenige im Original und am ursprünglichen Standort erhalten sind.
Während die Paläste in China oder große Filmproduktionen ein vermeintlich authentisches Bild eines chinesischen Thronsaals wiedergeben, ist dieser historisch-architektonische Kontext in Museen kaum überzeugend zu vermitteln. Stattdessen wählen Aufstellungen von Thronen oft karge, neutrale Annäherungen an den imperialen Rahmen. Auch die Präsentation des chinesischen Kaiserthrons im Berliner Museum für Asiatische Kunst war nicht unproblematisch, denn sein architektonischer Kontext konnte nicht rekonstruiert werden, da der ursprüngliche Aufstellungsort nicht mehr existiert.

Künstlerische Umsetzung

Die künstlerischen Interventionen nahmen genau diese Ungewissheit zum Anlass, über die Möglichkeiten einer alternativen Thronsaalarchitektur nachzudenken und damit einen Zugang zu schaffen, der neue Möglichkeiten der Deutung und Vermittlung im Museum erschließt. Mit ihren individuellen Vorschlägen schufen die ausgewählten KünstlerInnen und Designer alternative Sichtweisen auf das museale Objekt. Sie gingen dabei analytisch-minimalistisch, provokativ-emotional, poetisch-narrativ oder konzeptionell-athmosphärisch vor und thematisierten den Thron als Machtinsignie, als Zentrum absoluter Macht oder setzten ihn als Sinnbild der Gewalt und Ungerechtigkeit in Szene. Mit dem Fokus auf unterschiedliche Aspekte der Form, Gestaltung, Ausstattung, Geschichte oder Symbolik, erlaubten sie einen vielseitigen Zugang zum historischen Objekt und eröffneten ein kaleidoskopartiges Bild der Geschichte, das bis in die Gegenwart reicht.

„migong“

Konstantin Grcic ist Industriedesigner und entwirft Produkte, die oft als reduziert und minimalistisch beschrieben werden. Diese formale Strenge kombiniert er mit Humor, Scharfsinn und Eleganz. Sein Entwurf für eine Throninszenierung bestand aus einem begehbaren Labyrinth, das formal das charakteristische Winkelhakenmuster des Thronensembles aufgriff. Ausgehend von dem in der chinesischen Kunst häufig verwendeten Ornament, nahm Grcic mit einer Art „Schutzraum“ Bezug auf die verschachtelte Struktur chinesischer Palastarchitektur. Um bis zum Kaiser zu gelangen, galt es, mehrere Gebäude und Höfe zu passieren oder administrative Hürden zu überwinden. Ähnlich sieht es mit der Aufstellung des Throns in einem Museum aus. Grcics Labyrinth mit dem Titel „migong“ (Labyrinth), stellte den BetrachterInnen ein Autorität signalisierendes und auf Ordnung und Entschleunigung wirkendes Hindernis in den Weg – mit der nachdrücklichen Aufforderung, sich hinten anzustellen. Diese Geste war sowohl eine Referenz an die hierarchischen Strukturen im Kaiserpalast als auch ein Verweis auf die Möblierung öffentlicher Orte, insbesondere von Museen. Sie kommentierte auf ironische und kritische Weise die im musealen Kontext oft überstrapazierte Metapher vom Schaffen eines „breiten Zugangs“ zum Exponat.

„Daughters of the Immortal Mother“

Die Künstlerin Kirstine Roepstorff arbeitet mit dem Prinzip der Collage und bedient sich eines umfassenden Spektrums an Quellenmaterial und Referenzsystemen. Ihre Lichtobjekte in der Installation „Daughters of the Immortal Mother“ (Töchter der Unsterblichen Mutter) bezogen sich auf das Bildprogramm des Berliner Thronensembles sowie auf die mediale Qualität von Lampions. Ursprünglich in China erfunden und während der Kulturrevolution verboten, dienen Lampions dort nicht nur zur Dekoration. An Häusern angebracht, unterschiedlich eingefärbt oder mit Schriftzeichen versehen, informieren sie auch über Tod, Geburt oder gesellschaftliche Ereignisse. Mit Gerüsten aus Stahl, Holz oder Bambus und darüber gespannten Materialien, wie Bändern oder Papier, warfen Roepstorffs Objekte nicht nur Licht, sondern auch Schatten in den Raum. Inspiriert von figurativen Motiven aus der chinesischen Mythologie – Phönix, Drache, Schildkröte und Tiger – folgte die Künstlerin Aspekten der chinesischen Fünf-Elemente-Lehre, die Gesetzmäßigkeiten dynamischer Prozesse wie Werden, Wandlung und Vergehen erforscht. Roepstorffs Lampions produzierten ein dramatisches Spiel von hellem Licht und harten Schatten, die das Thronensemble nicht nur beleuchteten, sondern die darin vorhandenen Figuren animierten und ergänzten.

„Screen Screen“

Simon Starling befasst sich als Künstler mit natürlichen und kulturellen Veränderungsprozessen. Dabei stellt er unerwartete Beziehungen zwischen Artefakten aus verschiedenen Bereichen der Wissenschaft oder der Kultur- und Kunstgeschichte her. In Starlings Videoinstallation „Screen Screen“ wurde der Thron mit seinem eigenen Abbild konfrontiert. Dafür setzte der Künstler dessen reiche Intarsien in Szene und die Art und Weise, wie diese das Licht reflektieren und modifizieren. Gleichzeitig nahm seine Installation die Anordnung von Thron und Paravent auf und reflektierte sie in der Beziehung zwischen Videoprojektor und Projektionsfläche, sowie der gegenseitigen Abhängigkeit ihrer Wirkungsmacht. Die Filmsequenz erforschte in Makroeinstellungen die kunsthandwerkliche Finesse winziger Details von Thron und Paravent. Mit bloßem Auge kaum erkennbar, erinnern deren geometrische Strukturen an die Pixel von Computerbildern. Durch diese Analogie ergibt sich eine überraschende Entsprechung zwischen Kunsthandwerk und Medientechnologie, aber auch zwischen traditionellen und modernen bildgebenden Verfahren in China, sowie deren Auswirkungen auf den globalen Alltag. Begleitet wurde die Installation von klassischer chinesischer Musik, gespielt auf der Qin, dem traditionellen, ältesten chinesischen Saiteninstrument, interpretiert vom zeitgenössischen Musiker Liang Mingyue.

„Waterfall“

Die inhaltliche, formale und mediale Vielfalt im künstlerischen Werk Zhao Zhaos ist Ausdruck einer kritischen Haltung zur chinesischen Politik. Um konstruierte Bedeutungen infrage zu stellen, fordert er die gesellschaftliche Wirklichkeit und ihre ideologischen Konventionen ebenso heraus wie kulturelle Stereotypen und die Dominanz bestimmter, meist europäischer Kategorien der Kunstgeschichte. In Zhao Zhaos Installation „Waterfall“ versank der kaiserliche Thron in einem Sturzbach von rotem Wachs, der zu pittoresken Formen erstarrt war. Während der Künstler die vermeintlich kunstvolle Form des Throns mit einer physische Gewalt suggerierenden Geste den Blicken des Betrachters entzog, machte er gleichzeitig seine eigene und die Auseinandersetzung seiner künstlerischen Umgebung mit diesem Relikt der chinesischen Monarchie transparent. Auf einem Bildschirm waren die Überlegungen des Künstlers als Einträge auf seinem Blog nachzulesen, neben Reaktionen und Kommentaren aus China. Der teils in englischer Übersetzung zugängliche Blog eröffnete auch Berliner MuseumsbesucherInnen die Möglichkeit, sich an der Auseinandersetzung über den Umgang mit dem musealisierten Artefakt zu beteiligen. Die Dynamik dieses demokratischen Austauschs stand in deutlichem Gegensatz zu der wie eingefroren wirkenden Bewegung des roten Wachses; sie verwies einerseits auf die kaiserliche Vergangenheit und deren gewaltsame Strukturen, anderseits auf die Stagnation demokratischer Bemühungen des aktuellen chinesischen Regimes.

Filmische Annäherung

Eine weitere Annäherung an die institutionalisierte Macht und die Inszenierung des Kaisers als ihrem Zentrum realisierte der Künstler und Filmemacher Daniel Kohl. Er nahm anlässlich der Ausstellung historisierende Spielfilme als Ausgangspunkt und nutzte Sequenzen, die chinesische Thronsäle in der Verbotenen Stadt zeigen, als Samples. Den Fluss der Filmhandlung und die Rauminszenierung der Filmbilder dekonstruierend, setzte er die einzelnen Bildteile anschließend wieder wie ein Puzzle in einem imaginären 3D-Raum zusammen. In seiner geloopten Filmcollage „babao suipian“ (Gemischte Schnipsel) wurde auf diese Weise der Blick auf die Machthaber auf ihren Thronen selbst zum Thema.

Letztlich hat das „Spiel der Throne“ deutlich gezeigt, dass experimentelle, künstlerische Formate die Präsentation eines herausragenden Sammlungsobjekts nicht nur formal sondern vor allem inhaltlich bereichern können. Die Ausstellung war daher auch, in theoretischer und praktischer Hinsicht, wegweisend für die Idee einer Neugestaltung des zukünftigen Thronsaals im Humboldt-Forum, die der Architekt Wang Shu umsetzen wird.


Angela Rosenberg ist Kunsthistorikerin, Kuratorin und Autorin. Ein zentrales Thema ihrer Arbeit kreist um die Strukturierung von Sammlungen und die Möglichkeiten interdisziplinärer Ausstellungsprojekte. Seit 2000 publiziert sie regelmäßig für Museen, Sammlungen und Zeitschriften zur zeitgenössischen Kunst, insbesondere zur internationalen Kunstszene in Berlin.


Einen weiterführenden Text zu diesem Projekt finden Sie hier.

Zusätzlich können Sie unten stehend eine ausführliche, unter der Redaktion von Angela Rosenberg entstandene, Dokumentation des Projekts „Spiel der Throne“ sowie des Symposiums „Erinnerung als konstruktiver Akt“ als PDF-Dokument abrufen. Die Online-Publikation ist auch im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek verzeichnet (URN: urn:nbn:de:101:1-201403172660).

Dokumentation „Spiel der Throne“ / Symposium „Erinnerung als konstruktiver Akt“ (PDF)