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ARCHIV HUMBOLDT LAB DAHLEM   (2012-2015)

Korea ausstellen / Projektbeschreibung

Die Sammlungssituation als Chance

von Uta Rahman-Steinert

Das Museum für Asiatische Kunst beherbergt nur eine kleine Sammlung von Objekten aus Korea, insgesamt rund 130 Artefakte. Sie erlauben es nicht, koreanische Kunst auch nur ansatzweise angemessen zu präsentieren. Um der koreanischen Stimme im Orchester der ostasiatischen Kunst dennoch Präsenz zu verschaffen, soll für die Ausstellungsgestaltung im Humboldt-Forum nach neuen Wegen gesucht werden. Dass die meisten Objekte wenig repräsentativen Charakter besitzen, eröffnet gleichzeitig eine unerwartete Chance und gestattet weitgehende Freiheit in der Präsentation.

Die Vorplanung für das Humboldt-Forum verortet die Kunstwerke koreanischer Herkunft sehr passend an der Schnittstelle zwischen China und Japan. Allerdings ist der Bereich „Korea“ in der Raumfolge so unmittelbar an „China“ angeschlossen, dass er von den BesucherInnen leicht als dessen Fortsetzung wahrgenommen werden könnte. Eine Kennzeichnung des koreanischen Sammlungsteils erschien aus diesem Grund notwendig. Meine Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit KünstlerInnen in einigen Ausstellungen des Museums ließen die Idee reifen, auch hier auf künstlerische Äußerungen zu setzen, um Korea – nicht begrenzt auf den Sammlungsbestand, aber durchaus von diesem ausgehend – durch eine besondere Gestaltung des Raums hervorzuheben.

Mit dieser Idee verband sich zugleich die Intention, Angehörigen der Herkunftskultur eine Plattform zu bieten, der Präsentation koreanischer Kunstwerke und Artefakte eigene Deutungen hinzuzufügen. In der Startphase wurde das Projekt zudem in Zusammenarbeit mit einer aus Korea stammenden Kuratorin, Shi-ne Oh, erarbeitet, die als Ausstellungsmacherin und Kunstvermittlerin im Bereich zeitgenössischer Kunst tätig und zurzeit in Berlin ansässig ist. Mit dieser Kooperation gab das Museum Deutungshoheit ab und bezog Erfahrungen ein, die einerseits in der Herkunftskultur wurzeln, andererseits aber auch einen internationalen Hintergrund vorweisen und damit die Wirklichkeit vieler zeitgenössischer, aber auch historischer Biografien zumal von KünstlerInnen spiegeln, die nicht eindeutig lokal verortet werden können.

Fünf zeitgenössische Stimmen aus Korea und der Welt

Shi-ne Oh wählte für das Projekt KünstlerInnen aus, deren konzeptionelle Ansätze unter den Schlagworten „Projektion von Zeit“, „Interpretation von Geschichte“ und „Rekonstruktion von Vergangenheit“ zusammengefasst werden können. Die genannten Themen stellen einen direkten Bezug her zur Geschichte von Museumssammlungen und den in ihnen bewahrten Objekten und können gleichzeitig eine Verbindung zur Rekonstruktion des Berliner Schlosses und der besonderen Geschichte des Orts erzeugen.

Als Auftakt fand im September 2014 im Museum für Asiatische Kunst ein Workshop statt. Er diente der Recherche vor Ort in Dahlem und machte die KünstlerInnen mit dem Anliegen des Projekts, mit den koreanischen Sammlungsbeständen des Museums für Asiatische Kunst und des Ethnologischen Museums sowie mit den Planungen für das Humboldt-Forum vertraut. Sie wurden gebeten, eine Ideenskizze für ein experimentelles, hervorstechendes „Branding“ des Koreabereichs im Humboldt-Forum zu erarbeiten und gleichzeitig in exemplarischen Werken aufzuzeigen, welcher Kunstsprache sie sich dabei bedienen wollten. Die nunmehr präsentierten, höchst verschiedenen Arbeiten setzen an unterschiedlichen Ebenen der Fragestellung an.

Jaeeun Choi entwickelte eine Installation, die in ihrer Bezugnahme auf klassische Bild- und Liedtraditionen verborgene Bedeutungsschichten freilegt: Ein dunkel gehaltener Raum ist vom Gesang einer faszinierenden Frauenstimme erfüllt. Nach Orientierung suchend, fällt der Blick auf das subtil gehängte und beleuchtete Bild einer Frau in koreanischer Tracht, die auf einer Veranda am Rand eines Lotosteichs sitzt, in der Hand eine Pfeife und eine Mundorgel. Die Szene erscheint wie eine Visualisierung der Musik. Die Reproduktion der Malerei von Shin Yun-bok (18. Jh.), einem Meister realistischer Darstellungen des Alltags, verweist auf populäre Bräuche und auf das von konfuzianischen Werten geprägte Leben des einfachen Volkes. Jaeeun Choi arrangierte dazu eine Melodie aus der Joseon-Dynastie (1392–1910), die sie mit einem von ihr selbst verfassten Gedicht über den Zustand der modernen koreanischen Nation reinterpretierte. Die Arbeit stellt zugleich eine Verbindung zum Koreanischen Nationalmuseum in Seoul her, in dessen Sammlung sich das Original des Bildes befindet.

Die bisher erst teilweise realisierte Installation von Inhwan Oh schafft durch mehrere Übersetzungsprozesse eine vielschichtige Lektüre eines der Objekte aus der Museumssammlung und zugleich eine Reflexion über das Museum selbst: Der Künstler plant, die ikonische Darstellung des Geumgang-Gebirges über einen Audioguide zu erschließen, der die gemalten Wege durch die Landschaft als Richtungsanweisungen für Gehende formuliert. Von diesem Audioguide geleitet, sollen verschiedene Akteure an unterschiedlichen Orten Performances durchführen, deren Videoaufnahmen in der Koreagalerie des Humboldt-Forums präsentiert werden. Sie werden die BesucherInnen in eine Atmosphäre der Bewegung versetzen und sie die Wandelbarkeit von Räumen und ihrer Wahrnehmung erleben lassen. In „Korea ausstellen“ inszenierte Oh zunächst mithilfe zweier Animationen Teile des Wandschirms wie Wanderkarten für Touristen und verband sie mit einer schriftlichen Übersetzung in abstrakte Richtungsangaben. Die Intervention verknüpfte die Berliner BesucherInnen der Gegenwart auf sinnlich erfahrbare Weise mit Museums- und Objektgeschichte.

Jae Yong Rhee montierte in seiner einzigartigen fotografischen Technik unterschiedliche Ansichten eines Gegenstands zu einem im wörtlichen wie im übertragenen Sinn raum-zeitlich vielschichtigen Bild. Indem darin Oberflächen und Konturen undeutlich werden, lassen seine Fotografien die Veränderungen assoziieren, die das jeweilige Objekt erfahren hat, und ermöglichen zugleich, das Dargestellte in seinem Wesen zu erfassen – befreit von Zuschreibungen, die ihm im Laufe seiner Historie auferlegt wurden. Was ist museale Inszenierung, was kulturelle Konnotation, und worin besteht die wahre Natur der Dinge? Für das Projekt fotografierte Jae Yong Rhee Objekte im Koreanischen Nationalmuseum in Seoul. Die Aufnahmen werden den Werken der Sammlung des Museums für Asiatische Kunst gegenübergestellt und regen zum Nachdenken über die Geschichten und Praktiken an, die solche Objekte über die Museen der Welt verteilt haben.

Meekyoung Shins aus Seife gefertigte Objektrepliken wirken auf den ersten Blick verblüffend authentisch, erst bei genauerem Hinsehen erscheint ihre Oberfläche allzu perfekt und lässt die Spuren der Herstellung wie des jahrhundertelangen Gebrauchs vermissen. So provozieren die Gefäße Fragen nach Autorschaft, Original, Vervielfältigung und Fälschung. Noch fragiler als die Originale ziehen die Gefäße zudem nichts weniger als den Bewahrungsanspruch des Museums in Zweifel: Schon Staub kann die Oberflächen ruinieren, der Versuch einer Reinigung birgt die Gefahr, das ganze Objekt wegzuwaschen. Indem Meekyoung Shin ihre Seifenskulpturen – gefertigt nach Vorlagen aus unterschiedlichen Zeiten und Regionen – mit den Objekten der Sammlung konfrontiert, verwischt sie die Grenzen zwischen Gegenwartskunst und dem so wertvollen wie historisch und regional präzise kategorisierten Artefakt – eine Einladung zum Dialog.

Die sensiblen, auf die Linie reduzierten Bilder von MinHwa Sung sind im Charakter der klassischen ostasiatischen Malerei verwandt, erhalten durch die Sujets – Arbeitstische in ihrer Künstlerwerkstätte – jedoch eine eindrückliche Aktualität. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich aber auch hier vielfältige Bezüge zur Tradition: Stillleben mit den „Schätzen des Gelehrtenstudios“, chaekgeori, waren ein beliebter klassischer Bildtypus. Das verwendete kostbare Papier greift mit seiner aus Quadraten zusammengesetzten Struktur zudem eine Dekorkomponente des koreanischen Kunsthandwerks auf – ebenso wie Sungs moderne Adaptionen der Formate von Rollbild und Stellschirm. In den Maserungen der manchmal verwendeten Holztafeln schließlich klingen die bizarren Berge ostasiatischer Landschaftsmalereien an. Für den Raum im Humboldt-Forum hat MinHwa Sung zwei Vorschläge: Zum einen Vorhänge oder Abdeckungen aus handwerklicher koreanischer Produktion für Fenster und Wände, zum anderen einen Paravent zugleich als Dekoration oder Raumteiler wie für die Präsentation von Bildern und Objekten.

Eine eigene Form der Museumsarbeit

Die Zusammenarbeit mit den KünstlerInnen war äußerst inspirierend und eröffnete neue Sichtweisen auf die Sammlung sowie auf die Möglichkeiten, dieselbe zu präsentieren. Die Arbeiten bringen vorhandene Sammlungsobjekte und deren Geschichte auf vielschichtige Weise zum Sprechen. Sie integrieren heutige, auch internationale Perspektiven in die Ausstellungssituation. Außerdem erleichtert das Angebot einer individuellen, selektierenden künstlerischen Perspektive es dem Publikum, einen persönlichen Zugang zu entwickeln, der jenseits didaktisch geführter Konzepte liegt. Der zwangsläufig individuelle und von museumstheoretischen Diskussionen unbeschwerte Ansatz der KünstlerInnen bringt es gleichzeitig mit sich, dass Aspekte wie beispielsweise konservatorische oder besucherorientierte Belange unberücksichtigt bleiben. Auch für das eigentliche Ziel des Projekts, den Koreabereich im Humboldt-Forum mit einem „Branding“ zu markieren, bedarf es eines intensivierten und fortgesetzten Austauschs – für den das jetzige Projekt zusammen mit dieser Evaluation und Reflexion eine hervorragende Grundlage bildet. Wünschenswert wäre es, in größeren zeitlichen Abständen von beispielsweise zwei Jahren jeweils eine neue Gestaltung auf der Grundlage eines künstlerischen Konzepts in der Koreagalerie umzusetzen.


Uta Rahman-Steinert studierte Sinologie und Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin und hielt sich anschließend zwei Jahre in Beijing auf, wo sie an der Zentralen Akademie für Bildende Kunst chinesische Kunstgeschichte studierte. Seit 1987 ist sie Wissenschaftliche Angestellte an der Ostasiatischen Sammlung der Staatlichen Museen zu Berlin Ost und seit der Zusammenlegung der Berliner Museen 1992 am Museum für Asiatische Kunst tätig.


Weiterführende Texte zu diesem Projekt finden Sie hier.